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A4 (V2) Raketenfertigung in Friedrichshafen

1942-45

 

Auf Grund neuer Erkenntnisse durch Dokumentenfunde und dem auftauchen einer größeren Anzahl von Fotos erfolgt derzeit eine Aktualisierung dieser Seite . Fehler in den Textformulierungen u.s.w. bitte ich daher zu entschuldigen

 

Sauerstoff Gewinnung in Raderach

 

 

Das größte und wichtigste Gebäude das in Raderach errichtet wurde war ein Sauerstoffwerk. Da man nicht nur für den Schuss des A4 sondern auch für die Triebwerksprüfung flüssigen Sauerstoff benötigte, dieser aber einen Lagerverlust von 10% pro Tag hatte, plante man 1942 im Reichsgebiet 3 große Sauerstoff –Erzeugeranlagen die eine Leistung von je 1500 t flüssigen Sauerstoff im Monat haben sollten. In der Geschichtsschreibung zur Entwicklung der deutschen Raketentechnik wird oft von Sauerstoffverflüssigungsanlagen nach dem Linde-Verfahren berichtet aber selten über das verfahren und gar nicht über den eigentlichen Hersteller der Anlagen oder die Technik die es ermöglicht aus der Umgebungsluft flüssigen Sauerstoff zu gewinnen. Für den Technikinteressierten Geschichtsforscher ist es aber oft zwingend notwendig z.B. bei der Erfassung bestimmter Zusammenhänge , sich auch mit der Techniken zu befassen die im ersten Augenblick scheinbar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Im Fall des A4 liegt der Zusammenhang zwischen Sauerstofferzeugung und Raketentriebwerksentwicklung auf der Hand. Schon zu einer sehr frühen zeit Experimentierte man mit Flüssigen Sauerstoff als Treibstoffkomponente für Raketenmotoren. Paul Heyland, selbst ein Raketenpionier war Industrieller und Direktor einer Anlagenbau- Firma mit dem Schwerpunkt der Gasgewinnung und Verflüssigung. Seine nach im benannte Firma, eine 100% Tochter des Lindekonzern lieferte nicht nur die Technik zur Sauerstoffgewinnung, sondern beteiligte sich auch gleich noch an der Entwicklung einer Verwendung dafür ! Später übernahmen Techniker und Ingenieur der Fa. Heyland führende Posten in Peenemünde.

 

Am Beispiel der Sauerstoffverflüssigungsanlage in Oberraderach wurde mir eingehend verdeutlicht wie schwierig es ist aus einem mehreren Meter langen Mauer-Rest eine Sauerstoff-Werk zu rekonstruieren, nach dem für mich anfangs nicht ein mahl bekannt war das es dort einmal ein Sauerstoff-Werk gab . Ende 1999 begann ich mit der Erkundung baulicher Überreste am nördlichen Ausläufer des „Mittelberge“ im westlichen Bereich der ehemaligen Heeresabnahmestelle. Aus meiner Kindheitserinnerung wusste ich von einem Fußballfeld großen Trümmerfläche auf dem sich, in sich verschachtelte große Betonteile von einem Bewalteden Hügel aus betrachten lies.  Irgendwann in den 70er Jahre wurde das Trümmerfeld mit Erdreich abgedeckt, übrig blieb auf insgesamt ca. 60 m Länge ein Stück Mauer mit mehreren Öffnungen und ein Treppe. Nach heutigem Kentniesstand handelte es sich bei den Betontrümmer überwiegend um die Beton- Säulen, die Dachträgerkonstruktion und die Betondecke des Sauerstoffwerkes. Die Außen- und Zwischenwände des Gebäudes waren mit Ziegelsteine ausgemauert die nach der Zerstörung des Gebäude 1948  in manch Neubau in der Umgebung wider eine Verwertung fanden.

 

      

Meine ersten Ergebnisse über den Zweck dieses offensichtlich sehr großen Gebäudes waren recht ernüchternd. Wie zur gestammten Anlage der Abnahmestelle Raderach, gab es auch zu diesem Bau scheinbar keine weiterführenden Informationen. Weder in der Literatur, noch aus dem Stadtarchiv in Friedrichshafen ließen sich brauchbare Informationen zusammen tragen. Es gab zwar einen Aufsatz von Reimund Hug Biegelmann in einem Jahrbuch des Landkreises: „Friedrichshafen und die Wunderwaffe V2 „ aus „ Leben am See Band XI 1994“und eine Veröffentlichung ein ???? „Die Wehrmachtsanlage in Raderach und ihre Bedeutung für die Rüstungsindustrie“, aus : ?????

Aber Bilder oder detaillierte Beschreibungen der Einrichtung der Abnahmestelle Raderach b.z.w dem Gesamtzweck der Abnahmestelle oder der Verbindung zur A4 Raketenfertigung beim Luftschiffbau Zeppelin wurden darin nur unzureichend erklärt. Davon abgesehen waren mir die genannten Berichte zu beginn meiner Recherchen unbekannt.

Ein mehrere Kilo schweres Bruchstück eines offensichtlich sehr großen Riemenrades, das ich bei einer meinen Exkursionen nach Raderach neben der Bahntrasse der ehemaligen Werksbahn, unterhalb der Ruinenfläche fand, brachten mich auf die Idee das es um ein Werk zur Herstellung von Flüssigen Sauerstoff handeln musste . So kam ich unabhängig von der bestehender Literatur auf den Nutzungszweck des Gebäudes . Jahrelange Recherche brachte einiges an original Dokumente wie auch unveröffentlichtes Bildmaterial an die Oberfläche so das ich heute in der Lage bin das Sauerstoffwerk mit seinen Einrichtungen in Bild und Text darzustellen.

 

Nebenbei  bekam ich außer Berichte und Bilder aus der Kriegs so wie Nachkriegszeit auch einige Dokumente zur Einrichtung und Erweiterung der Kreismülldeponie zur Einsicht vorgelegt. Ich hatte mich damals mit einem Fax an das Landratsamt gewannt, das mit einem Schreiben vom damaligen Landrat Tann beantwortet wurde. Am 8.6.2001  bedauerte er mir nicht behilflich sein zu können. Am 12.6.2001 bekamt ich dann ein Fax aus dem Umweltschutzamt mit dem Verweis auf das Liegenschaftsamt und somit über einige Umwege Einsicht in einen Bericht einer Luftbildauswertung aus dem Jahr 1988 und einer Vertieften Historischen Erkundung im Auftrag des Landratsamtes, b.z.w. des Amtes für Liegenschaften aus dem Jahr 1997.  

Aus dem Quellenverzeichnis des Gutachtens von 1997 sind einige Hinweise auf Dokumente enthalten, die ich nach aufwändiger Recherche ebenfalls aus den Archiven entnehmen konnte. Einfacher und schneller wäre es für mich gewesen, wenn damals die Dokumente direkt vom Landratsamt zur Verfügung gestellt worden wären.

Auf jedenfalls ergab sich bei mir im Jahr 2001 die Feststellung, das bei der Planung der Mülldeponie b.z.w. bei der Erweiterung 1988 kaum Kenntnisse über die Einrichtungen und Infrastruktur der Abnahmestelle Raderach bekannt waren. Für mich ungeklärt ist immer noch die Frage nach den Stahl-Kühlwasserrohre die mit mindestens 1,5 m Durchmesser, ausgehend von zwei Großen Wasserspeicher, die Prüfstände mit Kühlwasser versorgten. Weder aus den Dokumenten, noch aus den Luftbildauswertungen ist zu entnehmen das die Rohre entfernt wurden. Sollten sie heute noch bestehen und irgendwann zusammen fallen, kann das zu Setzungen von 1 qm Rauminhalt je Meter Rohr auf dem Grund der Deponie führen. Ob dann die Deponie noch dicht ist, wäre auch eine ungeklärte Frage. Wesentlich mehr wusste man dann im Jahr 1997, damals kannte man dann bereits einige Dokumente aus dem Bundesarchiv in Freiburg, wie auch den französischen Archiven . Anders als im Jahr 1988 und 1997 dürfte sich heute auch die Denkmalschutzsituation auf dem Areal der Abnahmestelle Raderach darstellen. Das Denkmalschutzgesetz des Landes Baden Württemberg macht die Abgedeckte Ruine des Sauerstoffwerkes in  Raderach zu einem Bodendenkmal. Über die Existenz der Ruine und deren möglichen Historischen Wert wurde im Jahr 2006 offiziell, die in Friedrichshafen zuständige Denkmalschutzbehörde informiert.

Von da an habe ich es mir zu Aufgabe gemach auch das Sauerstoffwerk so gut wie es geht zu rekonstruieren . Sollte es in Zukunft möglich sein einen Historische Weg durch das Areal ( Denkmallandschaft ) der Abnahmestelle zu legen, dann wäre auch ähnlich wie in Peenemünde eine teilweise Freilegung bestehender Ruinen nicht ausgeschlossen.

 

Das Sauerstoffwerk        

 

Für das Sauerstoffwerk bei Raderach waren 1942 vorerst 5 Erzeugereinheiten der Firma Heyland,  geplant. Aus dem Bericht des Französischen Militärs wurden 1945 aber 6 bis 7 Erzeugereinheiten vermutet. Die Halle in dem die Erzeugereinheiten untergebracht waren, wurde am 16.8.1944 während einer Bombardierung durch die 464th Bomb Group, durch einige getroffen. Das Gebäude wurde dabei erheblich beschädigt. Als die Franzosen das 1945 Werk besetzten, befanden sich im Abfüllbereich noch zwei spezielle Bahn- Waggons für den Transport von flüssigen Sauerstoff. Oberhalb des  Abfüllbereichs befanden sich in dem östlichen Seitenschiff des Sauerstoffwerkes die Lagertanks für den flüssigen Sauerstoff . Die Speziellen Behälter waren mit einem ca. 1m dicken Isolierschicht umgeben. Von den Erzeugereinheiten waren nur 4 Stück nicht von dem Zerstörten Gebäude begraben worden. Von den Sauerstoffwerk sind einige Gesprächsprotokolle erhalten , die eine grobe Vorstellung ermöglichen welche Produktionsleistung vom Sauerstoffwerk erbracht wurde. Der weitere Werdegang der vier erhaltengebliebenen Erzeugereinheiten läst sich heute noch bis nach Bechar in Algerien Nachverfolgen . Was aus der fünften, möglicherweise sechsten und siebten Erzeugereinheit, die unter der herabgestürzten Betondecke begraben sein sollten geschehen ist,  ist nichts bekannt. Zwischen dem 8.4.1948 bis zum 10.4.1948 wurde das Sauerstoffwerk gesprengt. Während der 70er Jahre wurde das Trümmerfeld, das nach der Sprengung zurück geblieben ist, eingeebnet und mit einer ca. 1m bis mehreren Meter dicken Humusschicht überdeckt . Was nun unter den Trümmern an Altlasten ( z.B. in einem vermutenden Laugebecken ) noch heute begraben sein könnte,  kann nur vermutet werden .

 

Auszug aus der Bauplanung des Raderacher

Sauerstoffwerkes von 1942:

 

 

1.) Aufbau der Anlage zu 1500 moto O2-fl. wird zweckmäßigerweise aus Einheiten zu 540 kg O2-fl/stunde aufgebaut. bei 600 Betriebsstunden je Monat ergibt eine Einheit 300 moto O2-fl.

d.h. für jede Anlage werden 5 Einheiten , für 3 Anlagen insgesamt 15 Einheiten zu 540 kg o2-fl/Stunde benötigt.....

 

Lieferzeit :

.....] die Lieferung kann seiner Ansicht nach beschleunigt werden durch Übertragung des gesamt Auftrags für die 3 Anlagen an eine aus den Firmen :

 

Heylandt

Messer

Linde

l,air liquide , bestehende Arbeitsgemeinschaft . [........

 

Kostenfrage :

 

..] Nach Schätzung von Dr. Stoll betragen die Kosten für eine Einheit ohne Tank und ohne Elektrische

Einrichtung ca. 200000 RM

dazu Kosten für 1 Tank ( 50 cbm ) je Einheit 100000 RM

dazu Kosten für die Elektrische  Einrichtung je Einheit 150000 RM

dazu Kosten für die Montage  je Einheit ca. 20 % der Gesamtkosten : 70000 RM

 

Raumbedarf:

…] Es wird je Einheit ein Platz von 20x40 m B Bodenfläche benötigt. Größte Höhe 15 m .

dazu kommen noch 30 % Platzbedarf  für den Lagertank.[..

 

Energiebedarf :

Der Energiebedarf je Einheit beträgt 620k[]......

 

Quellw :(BaMa Freiburg Gesprächsprotokoll vom 23.3.42)

 

 

3. O2 - Flüssiganlage Friedrichshafen

 

Am 30.3.42 wurde anlässlich einer Sitzung bei Chef Ing. 4 unter dem Vorsitz von Reg.Baurat

Poenicke und der Beteiligung von Vertretern von Prüf 11 Wa J Rü ( Mun 3), Ea. Abt. und den

Firmen Heylandt und Beton & Monierbau A-G . folgende Entschlüsse gefasst :

 

a. ) Für den Bau der für die Abnahme der Geräte in Friedrichshafen erforderlichen Anlagen ist

Wa. Abn. zuständig. Wa. Abn erteilt die Erforderlichen Aufträge und beantragt die notwendigen Geldmittel.

 

b.) Für die Maschinelle Einrichtung der 02-Flüssig-Anlage ( 1500 moto ) der Elektrischen

Einrichtung und für den Abschluss des Stromlieferungsvertrag ist Wa J Rü ( Mun 3 ) zuständig.

c.) Es werden seitens Wa Abn sofort Maßnahmen zum Ankauf des erforderlichen Geländes

eingeleitet.

 

 

d.) Die Fa. Beton & Monierbau  beginnt sofort mit den notwendigen Arbeiten .

e.) Die Fa. Heylandt reicht baldmöglichst ein Angebot auf Lieferung einer 1500 moto 02 –Flüssig Anlage an Wa Rü .....ein .

Die für den Aufbau der Anlage erforderlichen Einheiten werden nur mit Vorrichtungen für die

Entnahme von 02-Flüssig versehen.

Anstelle der Kugelförmigen Lagertanks werden Zylindrische Lagertanks , die auf Eisenbahnwagen

transportier werden können, geliefert. Endgültige Auftragserteilung erfolgt gegebenenfalls aufgrund des anfangs Mai zu erwartenden Führerendscheits.

.

(BaMa Freiburg RH 8/v 1212  Gesprächsprotokoll vom 30.3.42)

 

©2010 Thomas Kliebenschedel

Schnitt durch das Sauerstoffwerk 

 

Die Zeichnung ist eine noch unvollständige, Authentische Rekonstruktion des Sauerstoffwerkes.

In einem aufwendigen verfahren zur Vermessung von Fotos, in Verbindung mit dem vermessen der vorhandenen Bausubstanz und bemasten Zeichnungen einzelner Maschinen und Maschinenteile, konnte das Gebäude weitgehend Rekonstruiert werden. Leider gibt es von einigen Bereichen des  Sauerstoffwerkes, die unzureichend fotografisch dokumentiert sind, nur mangelhafte Informationen. So müsste sich am Süd-westlichen Bereich auf der Ebene der Bahntrasse eine LKW taugliche Einfahrt befunden haben. Ebenso muss sich nördlich, eine Einfahrt auf der Maschinenhalle- Ebene befunden haben. Im westlichen Seitenflügel befand sich die Laugenregenerierungsanlage, die genaue Lage konnte aber noch nicht festgestellt werden.     

 

Maschinelle Einrichtung

 

Leider gibt es keine vollständige Liste der maschinellen Einrichtung des Sauerstoffwerkes in Raderach. Allerdings wurde in Frankreich ein Sauerstoffwerk nach der Spezifikation der Raderacher Werkes gebaut, von der eine Liste  erhalten blieb . ( Projekt F vom 8.8.1942“ ( *1 

Auszug aus der Liste für das Einsatzgewicht der benötigten Materialien der Erzeugeranlage in Frankreich. )

Die Gewichtsangaben wurden hier weg gelassen, da nur gezeigt werden soll aus welchen Maschinen die Anlage bestand!

 

  1. 5 Luftfilter
  2. 5 Kohlensäureabschneide- Einrichtungen einschl. Laugeabscheider
  3. 10 Laugenpumpen und 2 Laugenfüllpumpen
  4. 5 HD-Expansionsmaschinen mit Keilriementrieb
  5. 5 Doppelölabscheider für Expansionsmaschinen
  6. 5 Trennapparate mit 5 Auftauapparaten
  7. 2 Umschaltstationen für HD-Luft
  8. 5 normale Rohrleitungen ( 16700 kg unleg. Stahl.)
  9. 1 Ausblasetopf für die HD-Luftkompressoren
  10.  2 HD-O²- Kompressoren 3 S 225 für Keilriementrieb und Gasfilter und 2 Ausblasetöpfe
  11.  1 Wasser- Destillieranlage
  12. zusätzliche Rohrleitungen  ( Alu oder Leg.Stahl für die flüssig- O² Leitungen )

 

5 HD-Luftkompressoren

 

(* 1) Schreiben der Fa. Heylandt Gesellschaft für Apparatebau m.b.H Berlin an das Oberkommando des Heeres Abt.Wa.I.Rü ( Mun.3) Herrn Dipl.Ing. Matschky o.V. Berlin W.35 Tirpitzufer 38/40 vom 18.2.1943.( Projekt F= Friedrichshafen)

 

 

Die Luftzerlegung

Herstellung von Flüssig-Sauerstoff nach dem Linde-Verfahren


Um flüssigen Sauerstoff aus der Luft zu Bekommen , muss die Luft verflüssigt werden . Dazu wird mit einem Kompressor gereinigte Luft aus der Atmosphäre auf   200 atm Anfangsdruck verdichtet und im einem Kühler die auftretende Kompressionswärme durch Wasserkühlung nahezu vollständig abgeführt . Die komprimierte , gekühlte Luft wird nun im Gegenstromapparat durch bereits entspannte Luft weiter abgekühlt und mittels eines Drosselventils entspannt . Beim Entspannen kühlt sich die Luft um ca. 0,25 °C je Bar Druckunterschied ab . Die entspannte Luft dient im Gegenstromapparat zur Vorkühlung nachfolgender Luft, diese wird dann wieder im Kompressor verdichtet usw. Bei den Erzeugereinheiten in Raderach wurde an Stelle eines Gegenstromapparates, eine Expansionsmaschine eingesetzt die von Georges Claude, dem Begründer von Air Liquide erfunden wurde. Es handelt sich dabei um eine Art Dampfmaschine die anstelle von Dampf die Expandierente Luft wider in Bewegungsenergie umsetzte. Diese Methode war wesentlich effektiver als die ursprüngliche. Die Luft durchläuft die Apparatur nun so lange, bis sie vollständig verflüssigt im Ausdehnungsgefäß vorliegt. Als weiterer Schritt wird durch fraktionierte Destillation in einer Rektifikationsanlage die flüssige Luft in Stickstoff N2 und Sauerstoff O2 zerlegt .Unter Rektifikation versteht man eine Gegenstromdestillation, bei der verdampfte Flüssigkeit und wieder kondensierter Dampf im Gegenstrom zueinander geführt und wieder in Kontakt gebracht werden (Das Prinzip ist , das der aus der Destillierblase aufsteigende Gemischdampf zunächst in einen zylindrischen Apparateteil gelangt. In der Rektifikationskolonne werden Dampf und Flüssigkeit im Gegenstrom geführt . Der Flüssigkeitsstrom wird dadurch erzeugt , dass der größte Teil des am Kopf der Kolonne abgezogenen Dampfes im Rücklaufkondensator niedergeschlagen und in die Kolonne zurückgeführt wird. In der Kolonne kondensiert das schwerer flüchtige aus dem Dampf aus und geht in die flüssige Phase über  (Partialkondensation ).Durch die dabei frei werdende Kondensationswärme können leichterflüchtige Bestandteile aus der Flüssigkeit ausgetrieben werden. Somit sammelt sich der Stickstoff ( Siedepunkt - 195,8 °C) oben am "Kopf" und der Sauerstoff ( Siedepunkt - 183 °C ) unten im " Sumpf " der Kolonne. Die Luft besteht zu 78Vol% aus Stickstoff und 21vol% aus Sauerstoff, daher fallen bei der Gewinnung von flüssigem Sauerstoff große Mengen an Stickstoff an.

 

 

 

 

Heyland Luft- Trennungsanlage ( Abbildung nach CIOS Berichte 1945, ohne HD Kompressor und CO2 Abscheider ) Foto : Heyland Luftzerlegungsanlage in Ober- Raderach ©2010 Thomas Kliebenschedel

 

 

 

 

              

 

 

Bild links: Erzeugereinheit in Raderach 1945

Im Hintergrund Mitte die Rektifikationsanlage, links der Kompressor mit aufgesetzter Kühlung und rechts die Expansionsmaschine mit angekoppelten Stromaggregat.

Inspektionsbericht von Prof. H. Moureu und P. Chovin 1945

 

Bild rechts  : Kompressor während des Einbau 1943 im Sauerstoffwerk

 

 

        

 

 

Fotomontage des Sauerstoffwerk 1945, links : HD ( Hochdruck) Kompressor , rechts eine HD Expansionsmaschine, im Hindergrund: u. Bild rechts: Kohlensäureabschneide- Einrichtung + Laugenabscheider. ©2010 Thomas Kliebenschedel

 

 

Expansionsmaschine ©2010 Thomas Kliebenschedel

 

 

 

Natron- Lauge Regenerierungsanlage mit Calciumcarbonat- Abscheider im Nordflügel des Sauerstoffwerk ©2010 Thomas Kliebenschedel

 

 

 

Bruchstück, wahrscheinlich vom Riemenrad eines Sauerstoff / Stickstoff Kompressor der

durch den Bombenangriff vom  16.8.1944 zerstört wurde.

( Sammlung : V2Werk-Oberraderach.de )

 

 

 

 

  

Abfüllbereich 1945 ( Bild rechts ©2010 Thomas Kliebenschedel )

 

Abfüllbereich heute

Sauerstoffwerk heute

An stelle des zerstörten Sauerstoffwerkes ist heute diese Lichtung im Wald zu sehen. Diese entstand ende der 70er Jahre, nach dem man bemüht war möglicht viele Hinterlassenschaften der einstigen Nutzung verschwinden zu lassen. Ein Interesse Zeugnisse deutscher Geschichte aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu erhalten bestand wegen des negativen Beigeschmacks bei der Politischen Führung des Landkreises nicht. Denkbar und wünschenswert wäre heute eine teilweiß Wiederfreilegung der Ruine quer durch die Produktionsfläche und des Verladebereichs. Der erkennbare Weg auf der Lichtung kreuzt etwa in der Bildmitte die Position an der sich eine Sauerstofferzeugereinheit befand.

 

 

 

 

Das Vorbild in Peenemünde

 

Mit der Planung der Serienfertigung des A4 1939 bekam die Firma Messer & Co. Frankfurt ( heute Messer – Griesheim ) mit dem Kriegsauftrag Wa. Prüf 11/VI – 111 – 6008/39. einen Auftrag, in Peenemünde eine Sauerstofferzeuger- Anlage zu errichten die mit 5 Erzeugereinheiten eine Monatsleistung von 1500 Tonnen Sauerstoff haben sollte.

Anfänglich verzögerte sich der Bau der Anlage durch den außergewöhnlich harten Winter 1940 , so das Maschinen teilweise auf einem „Seelöwenschiff“ eingelagert wurden. 1942 gingen Teile das Sauerstoffwerk versuchsweise in betrieb, entgültig fertiggestellt war das Werk Mitte 1943 und wurde am 1.6.1943 durch „Reuß“ für HAP/VW und „Grotewold“ für die Fa. Messer & Co abgenommen.   

 

Abgenommen wurde im Juni 1943:

 

3 Auftaugebläse Type RR11

5 Kompressoren TYPE SK V

2 Trockenbatterien zur Trocknung des verdichteten Sauerstoffs

1 Vorratsbatterie für Sauerstoff

1 Umschaltstation zur Verteilung des Sauerstoffs

2 Allo- Druckminderer Fabrikat Albert Lob G.m.b.H. Düsseldorf

1 Sauerstoff und Stickstoff Abfüllstation

2 Sauerstoffbehälter für je 30 mm³

1 Umschaltstation

5 Flüssig- Sauerstofftanks je 50 m³

5 Dreiwegehähne

1 Tripchloräthylen- Reinigungsanlage

 

Nach 1945 wurde die Einrichtungen des Sauerstoffwerkes demontiert, 1948 wurde das Gebäude durch Sprengung stark beschädigt, ist aber heute noch als Ruine erhalten.

 

 

 

Das Sauerstoffwerk in Peenemünde 2008

 

 

 

Eines von 5 Kompressor- Fundamente                Blick in die Kompressor- Halle

 

  

 

Blick in die Sauerstoff-, Stickstoff- Erzeugerhalle           Blick in den Abfüll- und Lagerbereich 

 

 

 

Abfüll- und Lagerbereich                                                                           Verladebereich

 

 

Fotos des Sauerstoffwerkes mit freundlicher Genehmigung von © Thorsten Schako, Karlshagen          

 

 

Wieder aufgebautes Sauerstoffwerk aus Peenemünde in Bützow

 

Zwischen 1946 – 48 wurde im ca. 180 km entfernten Bützow die im Peenemünder Sauerstoffwerk demontierten Maschinen wieder aufgebaut und bis mindestens in das Jahr 2000 teilweise noch betrieben.

Dort bestand bereits vermutlich seit 1929 ein  ehemaliges Tochter Werke der Hanseatische Acetylen-Gas- Industrie AG b.z.w. Autogen Gasaccumulator AG  ( AGA ) . Nach der Vereinigung der DDR mit der BRD wurde der Volkseigene Betrieb an die Linde AG übergeben. Am 31.7.1960 wurde das Sauerstoffwerk bei einem Großbrand erheblich beschädigt, welche Teile des Werkes beschädigt wurden  lässt sich zur zeit nicht feststellen

Im Jahr 2000 gab es im Werk Bützow einen meldepflichtigen Störfall, der sich als Brand an einer Sauerstoffabfüllanlage erwies. Von der Stadtverwaltung Bützow wurde mir im Jahr 2001 schriftlich mitgeteilt wurde dass , das Werk der Linde AG in Bützow zwischenzeitlich zurück gebaut worden sein soll. Durchgeführt wurden die Abrissarbeiten vermutlich von der in Herne ansässige P&M Asphaltstraßenbau GmbH.  Zumindest läst eine Eintragung in deren Referenzliste des Firmenwebseite diesen Schluss zu. Anfragen über Planung, Art und Umfang der Abrissarbeiten und deren Dokumentation, blieben bisher leider erfolglos.

 

Das Gebäude des Sauerstoffwerk in Peenemünde stand bereits im Jahr 2000

unter Denkmalschutz und es war bekannt war das einige der historisch wertvollen Maschinen aus dem Peenemünder Sauerstoffwerk in Bützow erhalten sein müssten. Dennoch wurden diese dort demontiert und vermutlich nach Osteuropa verbracht. 2001 lebte in Bützow noch eine Person die an der Demontage und dem Wiederaufbau des Werkes in Bützow beteiligt war, so wie der letzte Betriebsleiter des Sauerstoffwerkes in Bützow. Über den verbleib der Maschinen ist bisher offiziell nichts bekannt, es wird jedoch vor Ort  vermutet das die Einrichtungen nach Rumänien verbracht wurden.       

 

Damit verläut hier die Spur der Maschinen aus Peenemünde im Sand, aber die Suche geht weiter  !

 

Das Sauerstoff- Werk in Bützow

 

      

 

     

 

  

© TED 2010

Quelle :

Abnahmeprotokoll vom 1.6.1943, Entstehungsgeschichte der Versuchsstelle Peenemünde, FE 833

Demontagen in der Sowjetischen Besatzungszone und Berlin 1945 bis 1948

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Zentrum für Zeithistorische Forschung

Verlagerung des Sauerstoffwerks von Peenemünde nach Bützow, LHAS, 6.11-19 Nr. 642

Demontage Sauerstoffwerks, LHAS, 6.11-14 Nr. 350

Demontage, Abtransport und Wiederaufbau der Sauerstoffanlage in Bützkow 1946 – 1947, LHAS, 6.11-14 Nr. 685

Durchführung der Demontagearbeiten zur Verlagerung nach Bützow Februar 1947, LHAS, 6.11-11 Nr. 150

Feuerwehr Bützow

Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen in verfahrenstechnischen Anlagen ( ZEMA ) Berlin

Literatur : Die Linde AG: Geschichte eines Technologie-Konzerns, 1879-2004

 


 

 

Fast  identische Sauerstoffwerke in Frankreich und Belgien

In Frankreich unterhalb Rouens auf dem rechten Ufer der Seine in Dieppedalle Croisset wurde noch 1944 in einer bestehenden Kelleranlage ein, im Februar 1943 bei der Fa. Heylandt bestelltes Sauerstoffwerk,  nach den gleichen Spezifikationen wie in Raderach gebaut. Allerdings wurde die Anlage nicht mehr von der Firma Heyland geliefert, da das Heyland- Werk in  Berlin Britz im November 1943 durch Bombenangriffe fast komplett zerstört wurde.

Nach jahrelanger Forschungsarbeit wurde von Francois Bayeux der Grundriss der Anlage rekonstruiert . Nach neuesten Untersuchungen könnte es sich bei den dort verwendeten Kompressoren um eine der Firma DEMAG handeln, da die Fundamente der Kompressoren von dem der in Raderach abweichen. Ab 1943 wurde auch in Lüttich ( Liege ) im besetzten Belgien ein Sauerstoffwerk nach den Plänen von Raderach gebaut. In diesem Werk wurden Luftzehrleger nach der Heyland Technik , aber vermutlich von DEMAG hergestellt und aufgebaut. Zumindest die Kompressoren stammten von DEMAG. Identische Maschinen wurden auch in dem Unterirdischen Sauerstoffwerk bei Lehsten ( Thüringen ) für die  Prüfung von A4 Raketentriebwerke Aufgebaut.Ein weiteres unterirdisches Sauerstoffwerk das für den Einsatz von A4 Raketen errichtet wurde, befand sich im elsässischen Wittring und in einer Bunkeranlage in Eperlecques.

Geplant war ein Sauerstoffwerk in der Bunkeranlage von Wizernes und der Unterirdischen Fabrik „Mittelwerk“ in Niedersachswerfen bei Nordhausen im Hartz.

 

Ebenfalls unterirdisch wurde ab Oktober 1943 in Zipf , nähe Salzburg ein Sauerstoffwerk in einem Brauereistollen errichtet. Dort wurden nach derzeitigen Erkenntnissen Heyland Anlagen verwendet. Dieses Sauerstoffwerk versorgte zwei verbunkerte Prüfstände die heute noch erhalten sind und als einzigste noch exsistierenden A4 Triebwerksprüfstände anzusehen sind.  

Vermutlich gab es auch auf dem Truppenübungsplatz „Heidelager“ bei Blizna in Polen ein Sauerstoffwerk, über das aber bisher nichts bekannt ist.  

 

Zu dem Sauerstoffwerke die in Lüttich ( Liege ) Belgien und Wittring ( Frankreich ) gebaut wurden laufen derzeit noch die Recherchen !

 

In deutscher Sprache : http://francois.bayeux.free.fr/dieppedalle.htm

 

 

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