A4 (V2) Raketenfertigung in Friedrichshafen
1942-45
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Erkenntnisse durch Dokumentenfunde und dem auftauchen einer größeren Anzahl von
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Sauerstoff Gewinnung in Raderach
Das
größte und wichtigste Gebäude das in Raderach errichtet wurde war ein
Sauerstoffwerk. Da man nicht nur für den Schuss des A4 sondern auch für die
Triebwerksprüfung flüssigen Sauerstoff benötigte, dieser aber einen
Lagerverlust von 10% pro Tag hatte, plante man 1942 im Reichsgebiet 3 große
Sauerstoff –Erzeugeranlagen die eine Leistung von je 1500 t flüssigen
Sauerstoff im Monat haben sollten. In der
Geschichtsschreibung zur Entwicklung der deutschen Raketentechnik wird oft von
Sauerstoffverflüssigungsanlagen nach dem Linde-Verfahren berichtet aber selten
über das verfahren und gar nicht über den eigentlichen Hersteller der Anlagen
oder die Technik die es ermöglicht aus der Umgebungsluft flüssigen Sauerstoff
zu gewinnen. Für den Technikinteressierten Geschichtsforscher ist es aber oft
zwingend notwendig z.B. bei der Erfassung bestimmter Zusammenhänge , sich auch
mit der Techniken zu befassen die im ersten Augenblick scheinbar nichts mit dem
eigentlichen Thema zu tun haben. Im Fall des A4 liegt der Zusammenhang zwischen
Sauerstofferzeugung und Raketentriebwerksentwicklung auf der Hand. Schon zu
einer sehr frühen zeit Experimentierte man mit Flüssigen Sauerstoff als
Treibstoffkomponente für Raketenmotoren. Paul Heyland, selbst ein
Raketenpionier war Industrieller und Direktor einer Anlagenbau- Firma mit dem
Schwerpunkt der Gasgewinnung und Verflüssigung. Seine nach im benannte Firma,
eine 100% Tochter des Lindekonzern lieferte nicht nur die Technik zur
Sauerstoffgewinnung, sondern beteiligte sich auch gleich noch an der
Entwicklung einer Verwendung dafür ! Später übernahmen Techniker und Ingenieur
der Fa. Heyland führende Posten in Peenemünde.
Am
Beispiel der Sauerstoffverflüssigungsanlage in Oberraderach wurde mir eingehend
verdeutlicht wie schwierig es ist aus einem mehreren Meter langen Mauer-Rest
eine Sauerstoff-Werk zu rekonstruieren, nach dem für mich anfangs nicht ein
mahl bekannt war das es dort einmal ein Sauerstoff-Werk gab . Ende 1999 begann
ich mit der Erkundung baulicher Überreste am nördlichen Ausläufer des
„Mittelberge“ im westlichen Bereich der ehemaligen Heeresabnahmestelle. Aus meiner
Kindheitserinnerung wusste ich von einem Fußballfeld großen Trümmerfläche auf
dem sich, in sich verschachtelte große Betonteile von einem Bewalteden Hügel
aus betrachten lies. Irgendwann in den
70er Jahre wurde das Trümmerfeld mit Erdreich abgedeckt, übrig blieb auf
insgesamt ca. 60 m Länge ein Stück Mauer mit mehreren Öffnungen und ein Treppe.
Nach heutigem Kentniesstand handelte es sich bei den Betontrümmer überwiegend
um die Beton- Säulen, die Dachträgerkonstruktion und die Betondecke des Sauerstoffwerkes.
Die Außen- und Zwischenwände des Gebäudes waren mit Ziegelsteine ausgemauert
die nach der Zerstörung des Gebäude 1948
in manch Neubau in der Umgebung wider eine Verwertung fanden.
Meine
ersten Ergebnisse über den Zweck dieses offensichtlich sehr großen Gebäudes
waren recht ernüchternd. Wie zur gestammten Anlage der Abnahmestelle Raderach,
gab es auch zu diesem Bau scheinbar keine weiterführenden Informationen. Weder
in der Literatur, noch aus dem Stadtarchiv in Friedrichshafen ließen sich
brauchbare Informationen zusammen tragen. Es gab zwar einen Aufsatz von Reimund
Hug Biegelmann in einem Jahrbuch des Landkreises: „Friedrichshafen und die
Wunderwaffe V2 „ aus „ Leben am See Band XI 1994“und eine Veröffentlichung ein
???? „Die Wehrmachtsanlage in Raderach und ihre Bedeutung für die
Rüstungsindustrie“, aus : ?????
Aber
Bilder oder detaillierte Beschreibungen der Einrichtung der Abnahmestelle
Raderach b.z.w dem Gesamtzweck der Abnahmestelle oder der Verbindung zur A4
Raketenfertigung beim Luftschiffbau Zeppelin wurden darin nur unzureichend
erklärt. Davon abgesehen waren mir die genannten Berichte zu beginn meiner Recherchen unbekannt.
Ein
mehrere Kilo schweres Bruchstück eines offensichtlich sehr großen Riemenrades,
das ich bei einer meinen Exkursionen nach Raderach neben der Bahntrasse der
ehemaligen Werksbahn, unterhalb der Ruinenfläche fand, brachten mich auf die
Idee das es um ein Werk zur Herstellung von Flüssigen Sauerstoff handeln musste
. So kam ich unabhängig von der bestehender Literatur auf den Nutzungszweck des
Gebäudes . Jahrelange Recherche brachte einiges an original Dokumente wie auch
unveröffentlichtes Bildmaterial an die Oberfläche so das ich heute in der Lage
bin das Sauerstoffwerk mit seinen Einrichtungen in Bild und Text darzustellen.
Nebenbei bekam ich außer Berichte und Bilder aus der
Kriegs so wie Nachkriegszeit auch einige Dokumente zur Einrichtung und
Erweiterung der Kreismülldeponie zur Einsicht vorgelegt. Ich hatte mich damals
mit einem Fax an das Landratsamt gewannt, das mit einem Schreiben vom damaligen
Landrat Tann beantwortet wurde. Am 8.6.2001
bedauerte er mir nicht behilflich sein zu können. Am 12.6.2001 bekamt
ich dann ein Fax aus dem Umweltschutzamt mit dem Verweis auf das
Liegenschaftsamt und somit über einige Umwege Einsicht in einen Bericht einer
Luftbildauswertung aus dem Jahr 1988 und einer Vertieften Historischen
Erkundung im Auftrag des Landratsamtes, b.z.w. des Amtes für Liegenschaften aus
dem Jahr 1997.
Aus
dem Quellenverzeichnis des Gutachtens von 1997 sind einige Hinweise auf
Dokumente enthalten, die ich nach aufwändiger Recherche ebenfalls aus den
Archiven entnehmen konnte. Einfacher und schneller wäre es für mich gewesen,
wenn damals die Dokumente direkt vom Landratsamt zur Verfügung gestellt worden
wären.
Auf
jedenfalls ergab sich bei mir im Jahr 2001 die Feststellung, das bei der
Planung der Mülldeponie b.z.w. bei der Erweiterung 1988 kaum Kenntnisse über
die Einrichtungen und Infrastruktur der Abnahmestelle Raderach bekannt waren.
Für mich ungeklärt ist immer noch die Frage nach den Stahl-Kühlwasserrohre die
mit mindestens 1,5 m Durchmesser, ausgehend von zwei Großen Wasserspeicher, die
Prüfstände mit Kühlwasser versorgten. Weder aus den Dokumenten, noch aus den
Luftbildauswertungen ist zu entnehmen das die Rohre entfernt wurden. Sollten
sie heute noch bestehen und irgendwann zusammen fallen, kann das zu Setzungen
von 1 qm Rauminhalt je Meter Rohr auf dem Grund der Deponie führen. Ob dann die
Deponie noch dicht ist, wäre auch eine ungeklärte Frage. Wesentlich mehr wusste
man dann im Jahr 1997, damals kannte man dann bereits einige Dokumente aus dem
Bundesarchiv in Freiburg, wie auch den französischen Archiven . Anders als im
Jahr 1988 und 1997 dürfte sich heute auch die Denkmalschutzsituation auf dem
Areal der Abnahmestelle Raderach darstellen. Das Denkmalschutzgesetz des Landes
Baden Württemberg macht die Abgedeckte Ruine des Sauerstoffwerkes in Raderach zu einem Bodendenkmal. Über die
Existenz der Ruine und deren möglichen Historischen Wert wurde im Jahr 2006
offiziell, die in Friedrichshafen zuständige Denkmalschutzbehörde informiert.
Von
da an habe ich es mir zu Aufgabe gemach auch das Sauerstoffwerk so gut wie es
geht zu rekonstruieren . Sollte
es in Zukunft möglich sein einen Historische Weg durch das Areal (
Denkmallandschaft ) der Abnahmestelle zu legen, dann wäre auch ähnlich wie in
Peenemünde eine teilweise Freilegung bestehender Ruinen nicht ausgeschlossen.
Das Sauerstoffwerk
Für das Sauerstoffwerk bei Raderach waren 1942 vorerst
5 Erzeugereinheiten der Firma Heyland,
geplant. Aus dem Bericht des Französischen Militärs wurden 1945 aber 6
bis 7 Erzeugereinheiten vermutet. Die Halle in dem die Erzeugereinheiten
untergebracht waren, wurde am 16.8.1944 während einer Bombardierung durch die
464th Bomb Group, durch einige getroffen. Das Gebäude wurde dabei erheblich
beschädigt. Als die Franzosen das 1945 Werk besetzten, befanden sich im
Abfüllbereich noch zwei spezielle Bahn- Waggons für den Transport von flüssigen
Sauerstoff. Oberhalb des Abfüllbereichs
befanden sich in dem östlichen Seitenschiff des Sauerstoffwerkes die Lagertanks
für den flüssigen Sauerstoff . Die Speziellen Behälter waren mit einem ca. 1m
dicken Isolierschicht umgeben. Von den Erzeugereinheiten waren nur 4 Stück
nicht von dem Zerstörten Gebäude begraben worden. Von den Sauerstoffwerk sind
einige Gesprächsprotokolle erhalten , die eine grobe Vorstellung ermöglichen
welche Produktionsleistung vom Sauerstoffwerk erbracht wurde. Der weitere
Werdegang der vier erhaltengebliebenen Erzeugereinheiten läst sich heute noch
bis nach Bechar in Algerien Nachverfolgen . Was aus der fünften, möglicherweise
sechsten und siebten Erzeugereinheit, die unter der herabgestürzten Betondecke
begraben sein sollten geschehen ist,
ist nichts bekannt. Zwischen dem 8.4.1948 bis zum 10.4.1948 wurde das
Sauerstoffwerk gesprengt. Während der 70er Jahre wurde das Trümmerfeld, das
nach der Sprengung zurück geblieben ist, eingeebnet und mit einer ca. 1m bis
mehreren Meter dicken Humusschicht überdeckt . Was nun unter den Trümmern an
Altlasten ( z.B. in einem vermutenden Laugebecken ) noch heute begraben sein
könnte, kann nur vermutet werden .
Auszug
aus der Bauplanung des Raderacher
Sauerstoffwerkes
von 1942:
1.)
Aufbau der Anlage zu 1500 moto O2-fl. wird zweckmäßigerweise aus Einheiten zu
540 kg O2-fl/stunde aufgebaut. bei 600 Betriebsstunden je Monat ergibt eine
Einheit 300 moto O2-fl.
d.h.
für jede Anlage werden 5 Einheiten , für 3 Anlagen insgesamt 15 Einheiten zu
540 kg o2-fl/Stunde benötigt.....
Lieferzeit
:
.....]
die Lieferung kann seiner Ansicht nach beschleunigt werden durch Übertragung
des gesamt Auftrags für die 3 Anlagen an eine aus den Firmen :
Heylandt
Messer
Linde
l,air
liquide , bestehende Arbeitsgemeinschaft . [........
Kostenfrage
:
..]
Nach Schätzung von Dr. Stoll betragen die Kosten für eine Einheit ohne Tank und
ohne Elektrische
Einrichtung
ca. 200000 RM
dazu
Kosten für 1 Tank ( 50 cbm ) je Einheit 100000 RM
dazu
Kosten für die Elektrische Einrichtung
je Einheit 150000 RM
dazu
Kosten für die Montage je Einheit ca.
20 % der Gesamtkosten : 70000 RM
Raumbedarf:
…]
Es wird je Einheit ein Platz von 20x40 m B Bodenfläche benötigt. Größte Höhe 15
m .
dazu
kommen noch 30 % Platzbedarf für den
Lagertank.[..
Energiebedarf
:
Der
Energiebedarf je Einheit beträgt 620k[]......
Quellw
:(BaMa Freiburg Gesprächsprotokoll vom 23.3.42)
3.
O2 - Flüssiganlage Friedrichshafen
Am
30.3.42 wurde anlässlich einer Sitzung bei Chef Ing. 4 unter dem Vorsitz von
Reg.Baurat
Poenicke
und der Beteiligung von Vertretern von Prüf 11 Wa J Rü ( Mun 3), Ea. Abt. und
den
Firmen
Heylandt und Beton & Monierbau A-G . folgende Entschlüsse gefasst :
a.
) Für den Bau der für die Abnahme der Geräte in Friedrichshafen erforderlichen
Anlagen ist
Wa.
Abn. zuständig. Wa. Abn erteilt die Erforderlichen Aufträge und beantragt die
notwendigen Geldmittel.
b.)
Für die Maschinelle Einrichtung der 02-Flüssig-Anlage ( 1500 moto ) der
Elektrischen
Einrichtung
und für den Abschluss des Stromlieferungsvertrag ist Wa J Rü ( Mun 3 )
zuständig.
c.)
Es werden seitens Wa Abn sofort Maßnahmen zum Ankauf des erforderlichen
Geländes
eingeleitet.
d.)
Die Fa. Beton & Monierbau beginnt
sofort mit den notwendigen Arbeiten .
e.)
Die Fa. Heylandt reicht baldmöglichst ein Angebot auf Lieferung einer 1500 moto
02 –Flüssig Anlage an Wa Rü .....ein .
Die
für den Aufbau der Anlage erforderlichen Einheiten werden nur mit Vorrichtungen
für die
Entnahme
von 02-Flüssig versehen.
Anstelle
der Kugelförmigen Lagertanks werden Zylindrische Lagertanks , die auf
Eisenbahnwagen
transportier
werden können, geliefert. Endgültige Auftragserteilung erfolgt gegebenenfalls
aufgrund des anfangs Mai zu erwartenden Führerendscheits.
.
(BaMa
Freiburg RH 8/v 1212 Gesprächsprotokoll
vom 30.3.42)
©2010 Thomas Kliebenschedel
Schnitt
durch das Sauerstoffwerk
Die
Zeichnung ist eine noch unvollständige, Authentische Rekonstruktion des Sauerstoffwerkes.
In
einem aufwendigen verfahren zur Vermessung von Fotos, in Verbindung mit dem
vermessen der vorhandenen Bausubstanz und bemasten Zeichnungen einzelner
Maschinen und Maschinenteile, konnte das Gebäude weitgehend Rekonstruiert
werden. Leider gibt es von einigen Bereichen des Sauerstoffwerkes, die unzureichend fotografisch dokumentiert
sind, nur mangelhafte Informationen. So müsste sich am Süd-westlichen Bereich
auf der Ebene der Bahntrasse eine LKW taugliche Einfahrt befunden haben. Ebenso
muss sich nördlich, eine Einfahrt auf der Maschinenhalle- Ebene befunden haben.
Im westlichen Seitenflügel befand sich die Laugenregenerierungsanlage, die
genaue Lage konnte aber noch nicht festgestellt werden.
Maschinelle
Einrichtung
Leider gibt es keine vollständige Liste
der maschinellen Einrichtung des Sauerstoffwerkes in Raderach. Allerdings wurde
in Frankreich ein Sauerstoffwerk nach der Spezifikation der Raderacher Werkes
gebaut, von der eine Liste erhalten
blieb . ( Projekt F vom 8.8.1942“ ( *1
Auszug aus der Liste für das
Einsatzgewicht der benötigten Materialien der Erzeugeranlage in Frankreich. )
Die Gewichtsangaben wurden hier weg
gelassen, da nur gezeigt werden soll aus welchen Maschinen die Anlage bestand!
5 HD-Luftkompressoren
(* 1) Schreiben der Fa. Heylandt Gesellschaft für Apparatebau
m.b.H Berlin an das Oberkommando des Heeres Abt.Wa.I.Rü ( Mun.3) Herrn Dipl.Ing.
Matschky o.V. Berlin W.35 Tirpitzufer 38/40 vom 18.2.1943.( Projekt F=
Friedrichshafen)
Die Luftzerlegung
Herstellung
von Flüssig-Sauerstoff nach dem Linde-Verfahren
Um flüssigen Sauerstoff aus der Luft zu Bekommen , muss die Luft verflüssigt werden
. Dazu wird mit einem Kompressor gereinigte Luft aus der Atmosphäre auf 200 atm Anfangsdruck verdichtet und im
einem Kühler die auftretende Kompressionswärme durch Wasserkühlung nahezu
vollständig abgeführt . Die komprimierte , gekühlte Luft wird nun im
Gegenstromapparat durch bereits entspannte Luft weiter abgekühlt und mittels
eines Drosselventils entspannt . Beim Entspannen kühlt sich die Luft um ca.
0,25 °C je Bar Druckunterschied ab . Die entspannte Luft dient im
Gegenstromapparat zur Vorkühlung nachfolgender Luft, diese wird dann wieder im
Kompressor verdichtet usw. Bei den Erzeugereinheiten in Raderach wurde an
Stelle eines Gegenstromapparates, eine Expansionsmaschine eingesetzt die von
Georges Claude, dem Begründer von Air Liquide erfunden wurde. Es handelt sich
dabei um eine Art Dampfmaschine die anstelle von Dampf die Expandierente Luft
wider in Bewegungsenergie umsetzte. Diese Methode war wesentlich effektiver als
die ursprüngliche. Die Luft durchläuft die Apparatur nun so lange, bis sie vollständig
verflüssigt im Ausdehnungsgefäß vorliegt. Als weiterer Schritt wird durch
fraktionierte Destillation in einer Rektifikationsanlage die flüssige Luft in
Stickstoff N2 und Sauerstoff O2 zerlegt .Unter Rektifikation versteht man eine
Gegenstromdestillation, bei der verdampfte Flüssigkeit und wieder kondensierter
Dampf im Gegenstrom zueinander geführt und wieder in Kontakt gebracht werden
(Das Prinzip ist , das der aus der Destillierblase aufsteigende Gemischdampf
zunächst in einen zylindrischen Apparateteil gelangt. In der
Rektifikationskolonne werden Dampf und Flüssigkeit im Gegenstrom geführt . Der
Flüssigkeitsstrom wird dadurch erzeugt , dass der größte Teil des am Kopf der
Kolonne abgezogenen Dampfes im Rücklaufkondensator niedergeschlagen und in die
Kolonne zurückgeführt wird. In der Kolonne kondensiert das schwerer flüchtige
aus dem Dampf aus und geht in die flüssige Phase über (Partialkondensation ).Durch die dabei frei werdende
Kondensationswärme können leichterflüchtige Bestandteile aus der Flüssigkeit
ausgetrieben werden. Somit sammelt sich der Stickstoff ( Siedepunkt - 195,8 °C)
oben am "Kopf" und der Sauerstoff ( Siedepunkt - 183 °C ) unten im
" Sumpf " der Kolonne. Die Luft besteht zu 78Vol% aus Stickstoff und
21vol% aus Sauerstoff, daher fallen bei der Gewinnung von flüssigem Sauerstoff
große Mengen an Stickstoff an.
Heyland Luft-
Trennungsanlage ( Abbildung nach CIOS Berichte 1945, ohne HD Kompressor und CO2
Abscheider ) Foto : Heyland Luftzerlegungsanlage in Ober- Raderach ©2010
Thomas Kliebenschedel
Bild links: Erzeugereinheit in
Raderach 1945
Im Hintergrund Mitte die Rektifikationsanlage, links der Kompressor mit aufgesetzter
Kühlung und rechts die Expansionsmaschine mit angekoppelten Stromaggregat.
Inspektionsbericht von Prof. H. Moureu und P. Chovin 1945
Bild rechts : Kompressor
während des Einbau 1943 im Sauerstoffwerk
Fotomontage des Sauerstoffwerk
1945, links : HD ( Hochdruck) Kompressor , rechts eine HD Expansionsmaschine,
im Hindergrund: u. Bild rechts: Kohlensäureabschneide- Einrichtung +
Laugenabscheider. ©2010 Thomas Kliebenschedel
Expansionsmaschine ©2010 Thomas Kliebenschedel
Natron- Lauge Regenerierungsanlage mit Calciumcarbonat- Abscheider
im Nordflügel des Sauerstoffwerk ©2010 Thomas Kliebenschedel
Bruchstück, wahrscheinlich vom
Riemenrad eines Sauerstoff / Stickstoff Kompressor der
durch den Bombenangriff
vom 16.8.1944 zerstört wurde.
( Sammlung : V2Werk-Oberraderach.de )
Abfüllbereich 1945 ( Bild
rechts ©2010 Thomas Kliebenschedel )
Abfüllbereich heute
Sauerstoffwerk
heute
An
stelle des zerstörten Sauerstoffwerkes ist heute diese Lichtung im Wald zu sehen.
Diese entstand ende der 70er Jahre, nach dem man bemüht war möglicht viele
Hinterlassenschaften der einstigen Nutzung verschwinden zu lassen. Ein
Interesse Zeugnisse deutscher Geschichte aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu
erhalten bestand wegen des negativen Beigeschmacks bei der Politischen Führung
des Landkreises nicht. Denkbar und wünschenswert wäre heute eine teilweiß
Wiederfreilegung der Ruine quer durch die Produktionsfläche und des
Verladebereichs. Der erkennbare Weg auf der Lichtung kreuzt etwa in der
Bildmitte die Position an der sich eine Sauerstofferzeugereinheit befand.
Das Vorbild in Peenemünde
Mit der
Planung der Serienfertigung des A4 1939 bekam die Firma Messer & Co. Frankfurt
( heute Messer – Griesheim ) mit dem Kriegsauftrag Wa. Prüf 11/VI – 111 –
6008/39. einen Auftrag, in Peenemünde eine Sauerstofferzeuger- Anlage zu
errichten die mit 5 Erzeugereinheiten eine Monatsleistung von 1500 Tonnen
Sauerstoff haben sollte.
Anfänglich verzögerte sich der Bau
der Anlage durch den außergewöhnlich harten Winter 1940 , so das Maschinen
teilweise auf einem „Seelöwenschiff“ eingelagert wurden. 1942 gingen Teile das
Sauerstoffwerk versuchsweise in betrieb, entgültig fertiggestellt war das Werk
Mitte 1943 und wurde am 1.6.1943 durch „Reuß“ für HAP/VW und „Grotewold“ für
die Fa. Messer & Co abgenommen.
Abgenommen wurde im Juni 1943:
3 Auftaugebläse Type RR11
5 Kompressoren TYPE SK V
2 Trockenbatterien zur Trocknung
des verdichteten Sauerstoffs
1 Vorratsbatterie für Sauerstoff
1 Umschaltstation zur Verteilung
des Sauerstoffs
2 Allo- Druckminderer Fabrikat
Albert Lob G.m.b.H. Düsseldorf
1 Sauerstoff und Stickstoff
Abfüllstation
2 Sauerstoffbehälter für je 30 mm³
1 Umschaltstation
5 Flüssig- Sauerstofftanks je 50
m³
1 Tripchloräthylen-
Reinigungsanlage
Nach
1945 wurde die Einrichtungen des Sauerstoffwerkes demontiert, 1948 wurde das
Gebäude durch Sprengung stark beschädigt, ist aber heute noch als Ruine
erhalten.
Das Sauerstoffwerk in Peenemünde 2008
Eines von 5 Kompressor-
Fundamente Blick in die
Kompressor- Halle
Blick in die Sauerstoff-,
Stickstoff- Erzeugerhalle
Blick in den Abfüll- und Lagerbereich
Abfüll- und Lagerbereich
Verladebereich
Fotos des Sauerstoffwerkes mit
freundlicher Genehmigung von © Thorsten Schako, Karlshagen
Wieder aufgebautes Sauerstoffwerk
aus Peenemünde in Bützow
Zwischen
1946 – 48 wurde im ca. 180 km entfernten Bützow die im Peenemünder
Sauerstoffwerk demontierten Maschinen wieder aufgebaut und bis mindestens in
das Jahr 2000 teilweise noch betrieben.
Dort
bestand bereits vermutlich seit 1929 ein
ehemaliges Tochter Werke der
Hanseatische Acetylen-Gas-
Industrie AG b.z.w. Autogen Gasaccumulator AG
( AGA ) . Nach der Vereinigung der DDR
mit der BRD wurde der Volkseigene Betrieb an die Linde AG übergeben. Am
31.7.1960 wurde das Sauerstoffwerk bei einem Großbrand erheblich beschädigt,
welche Teile des Werkes beschädigt wurden
lässt sich zur zeit nicht feststellen
Im Jahr
2000 gab es im Werk Bützow einen meldepflichtigen Störfall, der sich als Brand
an einer Sauerstoffabfüllanlage erwies. Von der Stadtverwaltung Bützow wurde
mir im Jahr 2001 schriftlich mitgeteilt wurde dass , das Werk der Linde AG in
Bützow zwischenzeitlich zurück gebaut worden sein soll. Durchgeführt wurden die
Abrissarbeiten vermutlich von der in Herne ansässige P&M Asphaltstraßenbau
GmbH. Zumindest läst eine
Eintragung in deren Referenzliste des Firmenwebseite diesen Schluss zu.
Anfragen über Planung, Art und Umfang der Abrissarbeiten und deren
Dokumentation, blieben bisher leider erfolglos.
Das
Gebäude des Sauerstoffwerk in Peenemünde stand bereits im Jahr 2000
unter
Denkmalschutz und es war bekannt war das einige der historisch wertvollen
Maschinen aus dem Peenemünder Sauerstoffwerk in Bützow erhalten sein müssten.
Dennoch wurden diese dort demontiert und vermutlich nach Osteuropa verbracht.
2001 lebte in Bützow noch eine Person die an der Demontage und dem Wiederaufbau
des Werkes in Bützow beteiligt war, so wie der letzte Betriebsleiter des
Sauerstoffwerkes in Bützow. Über den verbleib der Maschinen ist bisher
offiziell nichts bekannt, es wird jedoch vor Ort vermutet das die Einrichtungen nach Rumänien verbracht
wurden.
Damit
verläut hier die Spur der Maschinen aus Peenemünde im Sand, aber die Suche geht
weiter !
Das Sauerstoff- Werk in Bützow
© TED 2010
Quelle :
Abnahmeprotokoll vom 1.6.1943,
Entstehungsgeschichte der Versuchsstelle Peenemünde, FE 833
Demontagen in der Sowjetischen
Besatzungszone und Berlin 1945 bis 1948
Brandenburgisches
Landeshauptarchiv Zentrum für Zeithistorische Forschung
Verlagerung des
Sauerstoffwerks von Peenemünde nach Bützow, LHAS, 6.11-19 Nr. 642
Demontage
Sauerstoffwerks, LHAS, 6.11-14 Nr. 350
Demontage,
Abtransport und Wiederaufbau der Sauerstoffanlage in Bützkow 1946 – 1947, LHAS,
6.11-14 Nr. 685
Durchführung der
Demontagearbeiten zur Verlagerung nach Bützow Februar 1947, LHAS, 6.11-11 Nr.
150
Feuerwehr Bützow
Zentrale Melde-
und Auswertestelle für Störfälle und Störungen in verfahrenstechnischen Anlagen
( ZEMA ) Berlin
Literatur : Die Linde AG: Geschichte eines
Technologie-Konzerns, 1879-2004
Fast
identische Sauerstoffwerke in Frankreich und Belgien
In Frankreich unterhalb Rouens auf dem rechten Ufer der Seine in Dieppedalle Croisset wurde noch 1944 in einer bestehenden Kelleranlage ein, im Februar 1943 bei der Fa. Heylandt bestelltes Sauerstoffwerk, nach den gleichen Spezifikationen wie in Raderach gebaut. Allerdings wurde die Anlage nicht mehr von der Firma Heyland geliefert, da das Heyland- Werk in Berlin Britz im November 1943 durch Bombenangriffe fast komplett zerstört wurde.
Nach
jahrelanger Forschungsarbeit wurde von Francois Bayeux der Grundriss der Anlage
rekonstruiert . Nach neuesten Untersuchungen könnte es sich bei den dort
verwendeten Kompressoren um eine der Firma DEMAG handeln, da die Fundamente der
Kompressoren von dem der in Raderach abweichen. Ab 1943 wurde auch in Lüttich (
Liege ) im besetzten Belgien ein Sauerstoffwerk nach den Plänen von Raderach
gebaut. In diesem Werk wurden Luftzehrleger nach der Heyland Technik , aber
vermutlich von DEMAG hergestellt und aufgebaut. Zumindest die Kompressoren
stammten von DEMAG. Identische Maschinen wurden auch in dem Unterirdischen
Sauerstoffwerk bei Lehsten ( Thüringen ) für die Prüfung von A4 Raketentriebwerke Aufgebaut.Ein weiteres
unterirdisches Sauerstoffwerk das für den Einsatz von A4 Raketen errichtet
wurde, befand sich im elsässischen Wittring und in einer Bunkeranlage in
Eperlecques.
Geplant war ein Sauerstoffwerk in der Bunkeranlage von Wizernes und der Unterirdischen Fabrik „Mittelwerk“ in Niedersachswerfen bei Nordhausen im Hartz.
Ebenfalls
unterirdisch wurde ab Oktober 1943 in Zipf , nähe Salzburg ein Sauerstoffwerk
in einem Brauereistollen errichtet. Dort wurden nach derzeitigen Erkenntnissen
Heyland Anlagen verwendet. Dieses Sauerstoffwerk versorgte zwei verbunkerte
Prüfstände die heute noch erhalten sind und als einzigste noch exsistierenden
A4 Triebwerksprüfstände anzusehen sind.
Vermutlich
gab es auch auf dem Truppenübungsplatz „Heidelager“ bei Blizna in Polen ein
Sauerstoffwerk, über das aber bisher nichts bekannt ist.
Zu dem Sauerstoffwerke die in Lüttich (
Liege ) Belgien und Wittring ( Frankreich ) gebaut wurden laufen derzeit noch
die Recherchen !
In deutscher Sprache : http://francois.bayeux.free.fr/dieppedalle.htm
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©2001-2010
Thomas Kliebenschedel